Gefahr für Burg Bentheim


Gefahr für Burg Bentheim
– Kinderbuch
Mathias Meyer-Langenhoff   ML0089B
ISBN 9783940367532, Papierfresserchens MTM-Verlag, Softcover,  212 Seiten, € 10,90
Altersempfehlung des Herstellers: 10 – 11 Jahre

Erst kommt Lotte zu spät in die Schule, dann hat sie bei der Führung durch die Burg Bentheim auch noch Ärger mit ihrem Klassenlehrer Dr. Teichmann, und ihre beste Freundin Doro interessiert sich nur für Tom. Das ist eindeutig zu viel auf einmal.

 

Als die Klasse die Folterkammer der Burg besichtigt, versteckt sich Lotte in der Katharinenkirche. Dort hat sie eine unglaubliche Begegnung. Ein kleines rothaariges Mädchen behauptet, die Burg Bentheim des Jahres 1350 sei in großer Gefahr und nur Lotte könne helfen.


Soll sie sich wirklich auf eine Zeitreise ins Mittelalter einlassen?

 

Auf zur Burg

„So ein Mist, Teichmann ist bestimmt sauer“, fluchte Lotte. So schnell sie konnte raste sie die breite Schultreppe hinauf, aber sie kam fast eine Viertel Stunde zu spät zum Unterricht. „Kein Problem, du kannst dich auf mich verlassen, ich wecke dich rechtzeitig“, hatte ihr Vater gestern Abend getönt und Lotte trotz des Protestes ihrer Mutter erlaubt mit ihm zusammen das Fußballspiel zu Ende zu sehen. Und dann hatte er heute Morgen doch tatsächlich verschlafen.

Mit klopfendem Herzen stand sie jetzt vor dem Klassenraum der 7b und lauschte an der Tür. Drinnen war es mucksmäuschenstill, sie konnte nur die schnarrende Stimme von Dr. Teichmann hören, der letzte Anweisungen für den Ausflug gab. Lotte legte ihre Hand auf die kühle Türklinke, mit der anderen klopfte sie vorsichtig an die schwere Holztür, atmete noch einmal tief durch und öffnete. „Guten Morgen, Herr Dr. Teichmann“, sagte sie mit leichtem Beben in der Stimme, „ tut mir leid, aber mein Vater hat nicht geklingelt und der Wecker hat auch verschlafen.“  Die Klasse prustete los. Hilfe suchend sah Lotte zu Doro, ihrer allerbesten Freundin. Die hätte ihr gerne geholfen, bekam aber einfach keinen Ton heraus. Teichmann, der kleinste Lehrer der Schule, von den meisten nur der laufende Meter genannt, zuckte kurz mit der linken Augenbraue. „Schön, dass du es noch rechtzeitig geschafft hast“, sagte er lächelnd, „setz dich.“  Lotte schluckte. War das alles? Keine Standpauke, keine Strafe? Ihr Geschichtslehrer war eben unberechenbar.

Schwein gehabt, dachte sie, als sie zu ihrem Platz ging, denn eigentlich legte er größten Wert darauf zu zeigen, wer der Boss im Klassenraum war. Erleichtert ließ sich Lotte auf den Stuhl neben ihrer Freundin sinken. „Na endlich, ich dachte schon, du kommst nicht mehr. Das war echt gemein von den anderen“, versuchte Doro sie zu trösten, „was war …” „Dorothee, berichtest du bitte Lotte, was wir bisher besprochen haben?“ Typisch Teichmann, wenn jemand nicht aufpasste, hatte er ihn sofort auf dem Kieker. Doro hüstelte verlegen. „Wir, es ist …, der Bus steht gleich unten an der Haltestelle und die Besichtigung…“ „Damit kann deine Freundin nicht viel anfangen“, unterbrach Teichmann sie streng und erhob sich, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. Erwartungsvoll blickte er über die Lesebrille auf seiner Nasenspitze auf Kalle, seinen besten Schüler. Er gehörte zu den wenigen, die unentwegt, sogar in den Pausen, in Büchern schmökerten. „Erkläre du Lotte wie es weitergeht!“

„Der Bus steht um viertel vor zehn an der Haltestelle, wir sind gegen viertel nach in Bad Bentheim, die Besichtigung beginnt um halb elf. Wir sollen uns während der Führung Notizen machen, später von der Besichtigung einen schriftlichen Bericht anfertigen und eine Skizze der Burg zeichnen.“ „Alter Streber!“, zischte Doro ihm zu. „Vielen Dank, Kalle“, antwortete Teichmann, der übrigens zu den wenigen Lehrern gehörte, die jeden Tag mit Krawatte und Anzug in die Schule kamen. Dann erklärte er umständlich, worauf sie noch achten sollten, was sie tun und was sie nicht tun durften. „Teichmann ist und bleibt ein unsympathischer Zwerg“, flüsterte Doro und verdrehte die Augen. So war er, der kleine Doktor. Zwar hatte die Klasse Respekt vor ihm, aber bis auf Kalle, der manchmal von den anderen wegen seiner Leseleidenschaft nur “Seitenfresser” genannt wurde, gab es niemanden, der ihn wirklich leiden konnte. „Also, denkt dran, bitte gleich kein Geschiebe vor dem Bus und nehmt was zum Schreiben mit!“, rief Teichmann, als es klingelte. Er packte seine Tasche und sah kopfschüttelnd auf die Schülertraube vor der Klassentür.

Im Treppenhaus herrschte großes Gedränge, alle waren froh, die erste Doppelstunde überstanden zu haben. „Was war denn jetzt wirklich mit dir los?“, nuschelte Doro. Seit Doro eine Zahnspange trug, konnte selbst Lotte sie manchmal schlecht verstehen. „Gestern Abend war noch Fußball, Pokalendspiel, hat total lange gedauert“, grinste Lotte, „ich glaube es war zwölf, als ich im Bett lag.“ Als die Mädchen den Ausgang des Schulhofs erreichten, stand der Bus schon an der Haltestelle. Zischend öffneten sich die Türen. „Langsam, langsam!“, rief der Fahrer den Schülern entgegen, die wie eine Horde Jungtiere hineinstürmten und sich um die hinteren Plätze stritten. Lotte und Doro erkämpften sich einen Sitz in der Mitte des Busses. Als Doro sich umdrehte, wurde sie knallrot, hinter ihnen saß Tom Teune, ein großer, blondhaariger Junge, der noch dazu unerhört gut aussah. Bei seinen Mitschülern war er ziemlich beliebt, nur die Lehrer kamen nicht besonders mit ihm aus, was aber durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte. Er lächelte. Genau dieses Lächeln ließ Doro dahinschmelzen, sie versuchte ihre Zähne im Augenblick lieber zu verstecken. Es sollte nicht jeder sofort sehen, dass sie eine Art Blitzableiter im Mund trug. Unauffällig trat sie Lotte auf den Fuß und deutete vorsichtig nach hinten. „Was ist? Ach so, alles klar”, flüsterte Lotte, „dein Schatz sitzt hinter uns, jetzt könntest du ihn doch mal anquatschen.“ „Bist du verrückt?“ Doro merkte genau, dass sie schon wieder einen roten Kopf bekam. „Der versteht mich sowieso nicht, außerdem findet er mich bestimmt langweilig“, sagte sie. „Woher willst du das wissen, hast du ihn gefragt?“ Doro antwortete nicht. Sie dachte an Alica, die Neue in der Klasse. Die war total cool und fast alle Jungs fuhren auf sie ab. Am liebsten würde sie so sein wie sie, aber manchmal ging ihr Alica mit ihrem „Hallo – hier – bin – ich“ Gehabe ganz schön auf die Nerven.

Kurz vor Bad Bentheim ließ sich Teichmann vom Fahrer das Bordmikrofon geben. „Jetzt bitte mal zuhören! Wir sind gleich da und werden unten vor der Burg auf dem Parkplatz aussteigen. Ich möchte, dass ihr einigermaßen gesittet nach oben geht, der Burgführer wartet am Eingang, von euch erwarte ich Aufmerksamkeit und Disziplin!“ Doro zuckte zusammen, Teichmann sprach das S und das Z in seinem Lieblingswort Disziplin so scharf aus, als wollte er jemanden damit zerteilen. Sie gingen am Sandsteinmuseum vorbei und auf der steilen Kopfsteinpflasterstraße, der Funkenstiege, bergauf. „Guckt mal, die Burgmauern sind fast sechs Meter hoch.” Kalle drängelte sich keuchend zwischen Lotte und Doro und zeigte nach oben. „Ach ja? Bestimmt willst du uns auch noch erklären, wann die Burg gebaut wurde oder vielleicht interessante Anmerkungen zu dem Steinlöwen da machen?“, antwortete Lotte. „Klar, wenn euch das interessiert. Das hier ist die Westseite der Burg, sie wurde …“ „Kalle …, merkst du noch was? Das war ein Scherz. Gleich erzählt doch alles der Burgführer, also halt die Klappe!“ Lotte sah ihn ärgerlich an. „Und warum fragst du mich dann?“, antwortete Kalle beleidigt. Die Mädchen verdrehten die Augen.

Inzwischen waren sie auf dem Berg angekommen und liefen an der Burgmauer entlang zum unteren Tor. Kalle ließ sich zurückfallen, es war ihm ein Rätsel, warum sie sich für die Burg überhaupt nicht zu interessieren schienen. Er fand das alles atemberaubend spannend, mit Geschichte konnte er sich stundenlang beschäftigen, und genau deshalb war der kleine Doktor auch sein absoluter Lieblingslehrer. Teichmann blieb an einem großen Baum stehen, der kurz vor dem unteren Burgtor auf einer Wiese stand. Mit der rechten Hand strich er die lange Haarsträhne aus dem Gesicht, die eigentlich seine Glatze verdecken sollte. „Das ist übrigens die Gerichtslinde“, erklärte er, „hier fand im Mittelalter das Dorfgericht statt.“

 

Mathias Meyer-Langenhoff

Mathias Meyer – Langenhoff: Kurzvita

Mathias Meyer – Langenhoff wurde 1958 im westfälischen Dingden geboren. Nach seiner Zivildienstzeit als Altenpfleger studierte er in Bonn und Münster Diplompädagogik und war danach in verschiedenen pädagogischen Berufen tätig. Seit 1993 arbeitet er als Lehrer für Pädagogik und Psychologie an einer Berufsschule. Er ist verheiratet und Vater zweier Töchter im Alter von 13 und 16 Jahren.


Seit vier Jahren schreibt er Geschichten für Kinder und lebt mit seiner Familie in Nordhorn, nahe der niederländischen Grenze.


Von Mathias Meyer-Langenhoff

 

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