Heine lesen – und es ihm nachmachen

"Heine lesen – und es ihm nachmachen"
"Faszination Lesen"-Interview mit dem Sprachkritiker Wolf Schneider

Zwei Minister, Ramsauer und Westerwelle, haben den Reiz des Deutschen entdeckt, sagt Wolf Schneider in diesem Interview. Und, dass die Rechtschreibreform so "wahnsinnig überflüssig" war und ist.

schneiderAm 7. Mai feiert der streitbare Journalist, Autor, Sprachkritiker, Talkshowmoderator und Journalisten-Ausbilder seinen 85. Geburtstag. Im März ist sein neues Buch erschienen: "Deutsch für junge Profis". Untertitel: "Wie man gut und lebendig schreibt". Es kann hinzugefügt werden: "Wie man unterhaltsam und faszinierend über die deutsche Sprache informiert". Jeder, der deutsch schreibt, liest und spricht, sollte dieses erfrischend andere Buch über Sprache lesen. Es macht einfach Spaß, animiert zur Nachahmung – und es zeigt mit anschaulichen, verständlichen Beispielen, was gutes Deutsch sein kann – und was nicht.

Es ist ein großes Manko, dass so etwas weder an Schulen noch an Universitäten noch sonst wo regelmäßig gelehrt wird. Aber vielleicht fehlen dazu einfach die begabten Lehrenden. Unsere Empfehlung gleichermaßen an Twitterer, Blogger, Zeitungs- wie Bücherleser: Reinschauen, nachmachen. Es muss ja nicht gleich Heine sein. Wolf Schneider nachmachen wäre schon ein großer Fortschritt.

Schneider zeigt auch im Interview, wie man sich klar und verständlich ausdrückt. Und sich bei den Antworten auf das Wesentliche konzentriert – mitunter reduziert auf ein eindeutiges "nein":

Herr Schneider, als fast 85-Jähriger wenden Sie sich in Ihrem neuen Buch an die "jungen Profis", schreiben über Twitter, Blogs, Facebook. Wie groß sind die Chancen, dass junge Profi-Texter zukünftig noch gutes und lebendiges Deutsch schreiben?
Eine Minderheit hat das schon immer gekonnt, und dabei wird es hoffentlich bleiben.

Sie argumentieren: "Seit dem Tod des Lateinischen ist der deutsche Satzbau unter allen Kultursprachen der Komplizierteste. Der beweglichste aber auch!" Wenn dem so ist – was ist zu tun?
Heine lesen – und es ihm nachmachen!

Was ist für Sie das Paradebeispiel für einen schlechten Zeitungsartikel?
"Das" Beispiel kenne ich nicht – täglich ein Dutzend.

Und was für einen besonders gelungenen?
Solche finde ich ebenfalls täglich, zumal in der "Süddeutschen Zeitung".

Sie sagen: Ein bewährtes Mittel, Leser zu fangen, sind Ironie, Bosheit, Wortwitz. Ein Beispiel von Ihnen: "Brot für die Welt – die Wurst bleibt hier!". Deutsche Sprache, deutsche Mentalität, Ironie made in Germany – passt das zusammen?
Aber sicher! Wir sollten nur ein gutes Gewissen dabei haben.

Um wie viel Seiten oder Prozent werden Sachbücher und Ratgeber kürzer, auch Zeitungsartikel, wenn prägnant und verständlich formuliert wird? Dazu ein Beleg (Ankündigung zu einem Technik-Kongress) aus Ihrem neuen Buch: "Im Mittelpunkt stehen drei Problemkreise: die technische Realisierbarkeit neuer Kommunikationsmittel in ihrer jeweiligen Relation zur wirtschaftlichen Praktikabilität und zur kundenseitigen Akzeptanz". Sie haben daraus gemacht: "Der Kongress will für die neuen Medien klären, was die Technik kann, was die Wirtschaft will und was die Kunden mögen."
Das Beispiel zeigt es. Halbieren kann man meistens.

Sie zitieren Schopenhauer: "Man gebrauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge". Ist so was für Otto Normaldeutsch lernbar – oder vielmehr eine Frage höherer Kreativität?
Manchmal schaffen das fünfjährige Kinder. Erwachsene müssten es nur wollen.

"Im Hauptsatz ist die Kraft": So lautet der Titel des 18. Kapitels in ihrem Buch "Deutsch für junge Profis". Sie beginnen das Kapitel mit einem Blick ins Alte Testament und schreiben, dass Gott erst nach sieben Hauptsätzen den Nebensatz erschuf. Sehen Sie derartige biblische Fähigkeiten bei einem amtierenden Minister?
Nein.

Warum ist das so wichtig: "Nach 6 Wörtern: Sense!"…
Klare Aussage der Wissenschaft: Damit endet die Aufnahmefähigkeit unseres Kurzzeitgedächtnisses.

Warum sind gute Redner auch gute Vorbilder für gutes Schreiben?
Weil Reden älter ist als Schreiben.

Beim Lesen spricht der Leser das Gelesene in der Regel unhörbar mit. Sie schreiben: "Jeder Text ist also de facto für die Ohren geschrieben". Was bedeutet das für die Verfasser von Texten?
Jeden Text laut lesen! (Falls Sie nicht im Großraumbüro sitzen)

Wo ist die erlaubte Grenze in Diskussionsbeiträgen? Sie bringen Beispiele, die "brillant, aber gemein" sind: "Ich ahnte schon, dass Sie für einen unerwarteten Gedanken nicht erreichbar sind" oder "Ist Ihr Friseur krank – dass Sie diesen Unsinn uns erzählen".
Für Diskussionsbeiträge kenne ich keine Grenze.

Thema Rechtschreibreform. Hat sie die deutsche Sprache zum vogelfreien Objekt individueller Sprachgewalt gemacht?
Das nicht. Aber sie war und ist so wahnsinnig überflüssig.

Thema Anglizismen: die von Ihnen und Walter Krämer, Josef Kraus gegründete Aktion "Lebendiges Deutsch" sucht nach Lösungen. Für "Spotlight" wird "Punktlicht" empfohlen, für "Headline" die gute alte "Schlagzeile". Ist das ein Kampf David gegen Goliath? Und wenn ja, bleibt der Ausgang der Geschichte unverändert?
Nein. Denn wir sind Teil einer Bewegung. Sogar zwei Minister (Ramsauer und Westerwelle) haben den Reiz des Deutschen entdeckt.

 

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