… und die heilige Kuh nagt am Plastiksack

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… und die heilige Kuh nagt am Plastiksack

– Erzählung

Ile Namtra

ISBN 9783981354409, Silvers-Verlag, Taschenbuch, 280 Seiten, € 12,95 (D) / 13,35 (A)

 

Wie ist ein Opium verkaufender Ayurveda-Masseur zu begreifen?

Wie ist eine Blutlache auf dem Boden einer Rikscha zu deuten?

Wie ist das Dasein buddhistischer Punk-Mönche zu verstehen?

Eigentlich ist Ile Namtra auf der Suche nach exotischen Methoden der Entspannung und bereist daher auf eigene Faust den indischen Subkontinent. Doch auf der sechsmonatigen Reise kommt es zu einer Verkettung von außergewöhnlichen Erlebnissen, die es ihr nicht immer leicht machen, sich auf den indischen Rhythmus einzulassen.

Unterhaltsam und informativ geschrieben, zugleich immer wieder von amüsanten Tönen durchzogen, lässt diese lebendige Erzählung die Leser an der abwechslungsreichen Reise der Autorin teilhaben.

»Aller Anfang ist schwer.«

Oh, der »Lonely-Planet« hat gelogen! Die Pflichtlektüre aller Rucksacktouristen versprach beim Ankommen am Flughafen von Delhi die Anwesenheit von weiteren Reisenden, mit denen man sich, brüderlich vereint, ein Taxi nehmen könne, um so einer sicheren Bleibe fürs Erste näherzukommen. Hier ist nur gerade niemand, der sich um diese mitternächtliche Stunde nach einer gemeinsamen »Verschwisterung« sehnt.

So nehme ich all meinen Mut zusammen und spreche zwei Reisegruppen zwecks gemeinsamer Fahrt zu einem Schlafplatz an. Leider bleibt mir der Erfolg versagt, denn beide Gemeinschaften sind vorbildlich organisiert und werden termingetreu zu ihren bereits reservierten Unterkünften abgeholt. Ich werde den deprimierenden Eindruck nicht los, dass die eine Reiseleiterin in ihrem »Nein, danke« ein »Gott, wie ungeplant« durchscheinen ließ.

Um 2 Uhr nachts, mitten im Dezember, befinde ich mich also in Delhi auf dem nun fast menschenleeren Flughafen. Nur die uniformierten Wachleute, deren Gewehre mindestens zweimal so groß wie ihre Träger sind, leisten mir noch Gesellschaft.

Mir geistert die Warnung der bereits erwähnten Reiselektüre durch den Kopf, mich beim Verlassen dieses Gebäudes niemals in ein nicht autorisiertes Flughafentaxi zu setzen. Massivster Geldverlust und ein Ankommen im indischen Niemandsland wären die unausweichlichen Folgen.

Die letzte brandneue Information, die mich ebenfalls noch kurz vor meiner Abreise erreicht hatte, war die über einen nun leider nicht mehr unter uns verweilenden Australier, der einfach keine Lust hatte, seinen Geldbeutel auf diese Art und Weise erleichtert zu wissen. »Herrje!«

Dann habe ich noch eine kleine Zusatzanmerkung, die mir leichte Magenschmerzen bereitet und latent stets gegenwärtig ist. Dafür muss ich ein bisschen ausholen.

Eine Spökenkiekerin kreuzte einst meinen Weg und hat mich anfangs magisch in ihren Bann ziehen können, weil es bemerkenswerte Dinge gab, welche sie meinen Augen, Händen und den Tarotkarten entlockte. Ich hielt den Kontakt zu dieser Frau lose aufrecht.

Doch als ich ihr kurz vor meinem Abflug von meiner geplanten Indienreise erzählte, warnte sie mich eindringlich vor einer mir drohenden Todesgefahr. Ihrer Meinung nach sollte ich eine gut überlegte Entscheidung treffen. Ich wollte ihre Worte nicht gehört haben, doch flugs setzten sich diese ganz tief in diversen Hirnerinnerungswindungen fest und blieben dort vorerst verankert.

Ich setze mich auf eine Bank im Wartesaal und suche nach Hilfe in meinem kleinen magischen Antwortenbuch. Nach mehrmaligem Durchblättern stoppt mein Daumen genau bei diesem Ratschlag: »Mache eine kurze Pause, aber warte nicht.« Gemäß den Umständen, die mich derzeit umgeben, verwerfe ich allerdings den Fingerzeig und entscheide mich dafür, noch ein wenig länger auf eventuell vorbeikommende Rucksacktouristen zu warten.

So verharre ich weiterhin auf der unbequemen Bank in der Wartehalle. Mein Reisegepäck sicher zwischen meinen Füßen eingeklemmt, fühle ich mich im Schein des kalten Neonlichts gerade sehr kläglich und komme mir einsam und verlassen vor. Eine kleine Träne der Verzweiflung rollt mir die Wange herunter und signalisiert den beginnenden Spannungsabbau.

Als Facharbeiterin für Körperertüchtigung und freiwillig Sinnsuchende bin ich natürlich in verschiedene Relaxationsmethoden eingeweiht, dennoch ist die für mich immer noch hilfreichste Strategie in just solchen Momenten die des Tagebuchschreibens. Folglich greife ich flugs zu Stift und Papier und fange an, mir die Spannung aus dem Leib zu schreiben. Ich klammere mich förmlich an meinen kleinen Notizblock und schreibe, was das Zeug hält. Die ersten tiefen Atemzüge stellen sich ein.

Tja, warum bin ich eigentlich nach Indien gereist? Relativ früh habe ich ein ausgeprägtes Faible für das Thema Gesundheit entwickelt. Meine Oma hat mich einmal als Zwölfjährige, in ein Kräuterbuch vertieft, vorgefunden und daraufhin mein Leseverhalten als nicht altersgerecht beurteilt.

Als ich offiziell alt genug war, alles Mögliche in meinem Leben zu tätigen, bin ich in den heimischen Gefilden meinem besonderen Interesse an der Gesundung des Menschen auf körperlicher und geistiger Ebene nachgegangen und habe einige Jahre später eine mittlere Anzahl golden umrahmter Zertifikate mein Eigen genannt.

Nun möchte ich im Mutterland des Yoga und Ayurveda herausfinden, wie hier weitere Methoden der heilsamen Entspannung und vielleicht auch ein bisschen die der Verjüngung zelebriert werden.

Bezüglich eindeutiger Ja oder Nein Antworten könnte diese Reise eine mittelschwere Herausforderung für mich darstellen. Wenn ich den gängigen Meinungen Glauben schenken darf, sollte man sich als Alleinreisende der eigenen Sache und seiner Selbst sehr sicher und bewusst sein. Weil es an Letztgenanntem noch etwas hapert, setze ich mich freiwillig dieser erzieherischen Maßnahme aus und hoffe, so meinem Seelenheil ein Stück näherzukommen.

Und weil ich auch nur ein Mensch bin, möchte ich unbedingt Urlaub machen und mich um nichts in der Welt kümmern müssen. Am allerliebsten wäre mir eine einsame Hütte direkt am Meer. Letztendlich haben die äußerst niedrigen Lebenshaltungskosten meine Entscheidung, nach Indien zu reisen, sicherlich auch begünstigt, denn mein Reiseetat für die folgenden sechs Monate ist knapp bemessen.

Ich blicke auf die Uhr im Wartesaal und errechne, eine ganze Stunde schreibend ausgeharrt zu haben. Die Morgendämmerung will sich aber noch nicht einstellen. Da ich jetzt unbedingt aufbrechen möchte, beende ich mein unfreiwilliges Nachtlager und versuche, mich zu erinnern, wie der Ortsteil heißt, in dem Rucksackreisende erst einmal sicher und preiswert unterkommen können. Ich erhebe mich, schnalle mir meinen großen Rucksack auf den Rücken, klemme mir den kleinen unter den Arm und marschiere gen Ausgang.

Alle Taxifahrer, vor denen man mich so eindringlich gewarnt hatte, stehen wedelnd und schreiend da. Schnurstracks laufe ich der scheinbaren Ausgangstür entgegen und werde dort sehr bestimmt von den Uniformierten zurückgehalten …Von Ile Namtra

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