Kurzzeit

Kurzzeit
– Fantastische Geschichten
Martin Stölting   SM0368B
ISBN 9783837034165, BoD, Taschenbuch, 140 Seiten, € 9,95

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Fünf völlig unterschiedliche Geschichten, dir Wartezeiten überbrücken und zum Träumen einladen. Jede Geschichte hat ihren eigenen Charme.

 

 

 

 

 



Auf ewig Dein

Er wurde wach und wollte sich eigentlich weigern aufzustehen. Wozu? Es war doch sowieso Sinnlos. Er war 68 Jahre alt und der einsamste Mensch auf der ganzen Welt. So fühlte er sich zumindest. Gegen seinen Willen brachte er seinen Körper aus dem Bett und bewegte ihn in Richtung Badezimmer. Er kam zum Bad und machte Licht. Augenblicklich bohrte sich der Lichtstrahl in seine alten und müden Augen. Langsam und wiederwillig versuchte er seine Augen an das helle Licht zu gewöhnen. Erst verschwommen dann deutlicher, sah er sein Spiegelbild. Er blickte in ein trauriges, altes Gesicht. Man sah ihm die Strapazen des letzten Monates an und die Trauer. Schmerzlich wurde ihm wieder bewusst das er jetzt wieder allein war. 40 Jahre war seine Lucy an seiner Seite. Sie hatten gute aber auch schlechte Zeiten hinter sich. Bis vor einem Monat. Er hatte sich damals gewundert das er vor Lucy in de Küche stand. Ein Frühstück im Bett, damit wollte er sie überraschen. Mit dem Tablett in der Hand stand er dann im Schlafzimmer seiner Frau und redete mit ihr um sie zärtlich zu wecken. Er stellte das Tablett vorsichtig ab, denn es noch stockfinster in dem Zimmer. Er zog die Vorhänge zurück und die Sonne schien direkt auf das Bett seiner Frau. Er sah sie an und sie sah zurück. Er redete weiter mit ihr und als er sich mit dem Tablett zu ihr drehte merkte das sie sich nicht bewegt hatte und immer noch zum Fenster starrte. Als sie nicht auf ihn reagierte, merkte er das etwas nicht stimmte. Lucy schlief und stand nicht mehr auf. Sie war tot. Sie hatte ihn für immer verlassen. Das Tablett lag in Trümmern und Pfützen. Doch das war ihm egal. Wie von Sinnen versuchte er seine tote Frau zu wecken. Nachdem er unter Tränen neben ihr zusammen gebrochen war, streichelte er sie zärtlich über die kalten Wangen. Wie lange er so neben ihr lag wusste er nicht, aber als er merkte das er nichts mehr tun konnte, schloss er ihr die Augen für immer. Er blickte in den Spiegel und merkte wie sich bei dem Gedanken an den Todestag seiner geliebten Lucy, wieder Tränen in seine Augen stiegen. Die letzten vier Wochen, fühlte er gar nichts, außer eine große Leere. Wie in Trance, erlebte er die Beerdigung und die Zeit danach. Er überlegte sogar sich umzubringen um Lucy zu folgen. Doch in den letzten zwei Tagen kamen langsam die Lebensgeister zurück. Er begann sich und das Haus wieder zu pflegen. Doch jeder Gegenstand und überhaupt das ganze Haus erinnerte ihn an Lucy. Besonders die Sammlung kleiner Porzellanfigürchen , die Lucy gesammelt hatte. Da beide keine Kinder hatten oder sonst noch lebende Verwandtschaft, konnte er niemanden die Figuren vermachen. So überlegte er sie zu verkaufen. Er wusch sich und rasierte sich. Danach machte er sich einen Kaffee und setzte sich ins Wohnzimmer. Zum Fernsehen fehlte ihm der Antrieb und so sah er sich die fast fünfzig Figuren auf dem Regal über dem Fernseher an. Er erinnerte sich, wie Lucy sie immer pflegte und hegte. Sie konnte sich stundenlang damit beschäftigen, die Figuren zu Putzen und anders aufzubauen. Er belächelte ihr Hobby. Doch jetzt fingen sie an zu nerven. Immer wenn er sie sah musste er an Lucy denken. Er stand auf und holte sich aus der Kammer einen alten Umzugskarton. Er fing an alle Figuren in alte Zeitung einzuwickeln um sie dann in dem Karton verschwinden zu lassen. Lucy würde jetzt vor Wut schäumen. Als er fertig war klebte er den Karton zu und verstaute im hinteren Teil der Kammer. Als er zurück ins Wohnzimmer kam und sich setzte, fühlte er sich etwas besser. Doch fast im gleichen Moment, bekam er ein schlechtes Gewissen. Würde er jetzt alles aus seinem restlichen Leben verbannen was ihn an seine geliebte Frau erinnerte. Plötzlich hatte er Angst, er könnte sie vergessen. Er besorgte sofort Bilder von Lucy und stellte sie an die Stelle der Figuren. Jetzt fühlte er sich besser. Und er begann seinen Tag, so gut es ging, zu verbringen. Gegen Abend setzte er sich mit einem Bier vor den Fernseher und schaute sich mehrere Sendungen gleichzeitig an. Er zappte sich von einem Sender zum anderen. Als er plötzlich ein Geräusch hörte. Er schaltete seinen Fernseher ab um zu hören was es war. Es klang als würde jemand versuchen eine Tür leise zu öffnen. Er dachte zuerst an Einbrecher und bewaffnete sich mit der halbleeren Flasche Bier. Warum sollte jemand einbrechen? Erstens war hier wirklich nichts zu holen und zweitens: es würde doch niemand versuchen wenn er sah das noch jemand wach war. Vorsichtig lugte er in den dunklen Flur, die Bierflasche noch fester im Griff. Er konnte nichts sehen. Nun dreh mal nicht durch. Sagte er zu sich selbst und zwang sich die zwei Schritte zum Lichtschalter zu machen. Hell leuchtete die Flurlampe und nun sah er das die Tür zur Kammer offen stand. Hatte er sie nicht abgeschlossen? Wohl nicht. Erleichtert, dass es kein Einbrecher war, schloss er die Kammertür. Um sicher zu gehen, das sie sich nicht wieder selbstständig machte, schloss er sie zu und zog den Schlüssel ab. Den Schlüssel nahm er mit und steckte ihn sich in die Hosentasche. Er maß dem Vorfall keinerlei Bedeutung zu, dass sollte sich bald ändern, sehr bald. Er nahm sich am nächsten Tag vor einige Dinge im Haus zu ändern. Zu viel erinnerte ihn an Lucy. Er plante früh aufzustehen und alles in Angriff zu nehmen, darum ging er schon frühzeitig zu Bett. Er schlief auch sofort ein. Wach wurde er nicht durch seinen Wecker, sondern durch ein lautes Geräusch von unten im Haus. Es war noch dunkel. Er blickte zur Uhr, es war halb drei Uhr morgens. Er setzte sich auf. Was war es nur für ein Geräusch? Er zog sich seine Hose an und schlüpfte in seine Pantoffeln. Da hörte er es wieder. Es klang als würde etwas schweres über den Boden geschoben werden. Er schaute vorsichtig die Treppe runter und versuchte etwas zu erkennen, er sah nichts. Er lauschte, konnte aber nichts hören. Das Telefon stand unten im Wohnzimmer. Er schlich so leise er nur konnte die Treppe runter. Er hielt zweimal an und lauschte in die Dunkelheit. Unten angekommen tastete er nachdem Lichtschalter. Er hielt inne und überlegte ob es eine gute Idee wäre jetzt das Licht anzumachen. Plötzlich hört er wieder das Geräusch. Er legte den Schalter um und blickte in die Richtung des Geräusches. Seine Augen brauchten einen Augenblick, um sich an das Licht zu gewöhnen. Er sah eine Bewegung, doch was es war konnte er nicht definieren. Etwas anderes ließ in das eben Gesehene verdrängen. Die Kammertür stand weit offen. Das war nicht alles. Man konnte erkennen das etwas über den Boden geschoben wurde. Die Spur führte von der Kammer zum Wohnzimmer.

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Martin Stölting

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Von Martin Stölting