All-Age-Bücher dominieren

All-Age-Bücher dominieren: Bleibt das Kinderbuch auf der Strecke?

Allianz der Leseförderer fordert Lesevorbilder für Kinder und Jugendliche / Umsatz mit Kinder- und Jugendbüchern wächst um 11,1 Prozent / Besonders umsatzstark: Jugendbuch ab 12 Jahren

„Lesen bildet und lässt Kinder und Jugendliche zu selbstbewussten und kompetenten Persönlichkeiten heranwachsen. Doch um Freude am Lesen und Interesse für wichtige Themen zu entwickeln, brauchen Kinder Vorbilder, sowohl in ihren Geschichten als auch in ihrem Umfeld“ – so lautet der zentrale Appell des Trendberichts Kinder- und Jugendbuch. Gefordert seien dabei vor allem Familie, Politik und Gesellschaft. Vorgestellt wurde der Trendbericht heute von der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj), dem Arbeitskreis für Jugendliteratur (AKJ), der Stiftung Lesen und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels bei einer Pressekonferenz auf der Leipziger Buchmesse.

„Kinder- und Jugendbücher sind die Zukunft des Buches, denn sie sind für die junge Zielgruppe bestimmt“, sagte Claudia Paul, Pressesprecherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Dieses Engagement der Verlage für die künftige Lesergeneration spiegle sich auch im Markt für Kinder- und Jugendbücher wider. Mit 15,7 Prozent Umsatzanteil am gesamten Buchmarkt hat das Segment Kinder- und Jugendbuch einen neuen Höchststand seit Beginn der Trendberichte im Jahr 2004 erreicht. Es ist im Jahr 2009 gegenüber dem Vorjahr um mehr als ein Prozent gewachsen.

Der Umsatz mit Kinder- und Jugendbüchern ist 2009 um 11,1 Prozent angestiegen. „Literatur für die junge Zielgruppe ist ein wichtiger und stark wachsender Markt. Das gilt besonders für den Bereich des Jugendbuchs ab 12 Jahren, unter das auch All-Age-Bücher fallen“, so Claudia Paul. In diesem Segment gab es 2009 ein Umsatzplus von 44 Prozent. Insgesamt haben Jugendbücher einen Umsatzanteil von rund 33 Prozent am Segment Kinder- und Jugendbuch. Die Zahlen hat media control GfK International im Auftrag des Börsenvereins ermittelt.

Bedeutung von Kinder- und Jugendbüchern wächst
Kinder- und Jugendbücher bekommen immer mehr Gewicht, so die Prognose der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen. Das ließe sich nicht nur an den Marktzahlen ablesen, sondern auch an den Zielgruppen der verlegten Titel. „Kinder- und Jugendbuchverlage wachsen in ihrer Bedeutung, denn sie bieten heute Lesestoff für alle Schichten und Altersklassen der Gesellschaft“, sagte Ulrich Störiko-Blume, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen. „Vom Bilderbuch, das den Einstieg in die lesende Gesellschaft schafft, bis zum Jugendbuch, das als All-Age-Buch inzwischen auch Erwachsene fesselt, Kinder- und Jugendbuchverlage bieten für jeden etwas“, so Störiko-Blume. Einziges „Sorgenkind“ sei das Kinderbuch, in diesem Segment war 2009 kein Wachstum zu verzeichnen. Das Kinderbuchalter sei in der Lesebiographie eines jungen Menschen jedoch besonders wichtig. Deshalb müssten hier mehr Anreize zum Lesen geschaffen werden. „Erwachsene müssen selbst eine Kultur des Lesen betreiben, um Kindern die Lust am Lesen zu vermitteln“, so Störiko-Blume.

Kinderbücher müssen fördern
„Kinderbücher haben einen Auftrag: Sie sollen Kinder in ihrer Entwicklung begleiten. Von der ersten Verliebtheit und der Angst vor peinlichen Situationen bis hin zu familiären Problemen sollen sie ihre jungen Leser zu wichtigen Themen hinführen und ihnen Mut machen“, sagte Regina Pantos, Vorstandsvorsitzende des Arbeitskreises für Jugendliteratur. Derzeit erfülle das Kinderbuch diese Aufgabe aber nur unzureichend. „Das Kinderbuch bleibt auf der Strecke, es bleibt in den Kinderschuhen des Klischees stecken“, so Pantos. Die gegenwärtigen All-Age-Bücher böten den Kindern meist nur ein unterhaltendes Rundum-Sorglos-Paket. Das aber reiche nicht, um differenziert und originell auf die Entwicklung der Kinder einzugehen und sie zu interessierten Lesern zu erziehen.

Infrastruktur für Lesekultur
All-Age-Bücher bedeuten eine große Chance für die Leseförderung, weil sie in der Familie eine Brückenfunktion einnehmen, so die Stiftung Lesen. „All-Age-Bücher bieten Lesestoff für verschiedene Generationen, der für alle Stoff zum Nachdenken, zum Auseinandersetzen und für Gespräche ist“, sagte Dr. Simone Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen. Voraussetzung für dieses Potenzial sei aber, dass Eltern selbst lesen und vorlesen. „Eltern müssen gesprächsbereit sein und ihren Kindern den Weg zur Selbstentfaltung ebnen“, so Ehmig. Ohne diese Vorbedingung blieben sowohl All-Age-Bücher wie auch Kinderbücher langfristig auf der Strecke. Es sei an der Leseförderung die Rahmenbedingungen herzustellen, die altersübergreifend „All Ages“ lesen lässt.

Die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen e.V. (avj) wurde 1950 mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit von Jugendbuchverlagen zur gemeinsamen Förderung der Kinder- und Jugendliteratur zu organisieren und die Interessen ihrer Mitglieder in der Öffentlichkeit und gegenüber Behörden, Institutionen und Verbänden zu vertreten. Derzeit gehören der avj rund 80 Mitgliedsverlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz an.

Der Arbeitskreis für Jugendliteratur e.V. (AKJ) ist der 1955 gegründete Dachverband der Kinder- und Jugendliteratur in Deutschland. Ihm gehören rund 40 Mitgliedsverbände und über 200 Einzelpersonen an; der AKJ wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, in dessen Auftrag er jährlich den Deutschen Jugendliteraturpreis verleiht. Seit 2003 entscheidet neben Kritikern eine unabhängige bundesweite Jury aus Jugendlichen über einen eigenen Preis, den „Preis der Jugendjury“. Zu den zentralen Aufgaben des AKJ zählen die Förderung der Lesekultur in der Kinder- und Jugendbildung sowie Ausbau und Pflege internationaler Kontakte.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels engagiert sich für das Kulturgut Buch und das Lesen, für die Meinungsfreiheit und die kulturelle Vielfalt der Gesellschaft. Er wurde 1825 gegründet und vertritt die Interessen von rund 5.700 Verlagen, Buchhandlungen, Antiquariaten, Zwischenbuchhändlern und Verlagsvertretern. Der Börsenverein veranstaltet die Frankfurter Buchmesse und verleiht jährlich den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels sowie den Deutschen Buchpreis. Er organisiert Leseförderungswettbewerbe und engagiert sich für den UNESCO-Welttag des Buches.

Seit 1988 entwickelt die Stiftung Lesen zahlreiche Projekte, um das Lesen in der Medienkultur zu stärken. Traditionell steht die gemeinnützige Organisation unter der Schirmherrschaft der Bundespräsidenten. Zweck der Stiftung Lesen ist die Förderung von Buch, Zeitschrift und Zeitung in allen Bevölkerungskreisen sowie die Pflege und der Erhalt einer zeitgemäßen Lese- und Sprachkultur, nicht zuletzt in den neuen Medien. Dabei ist sie Plattform für die Verbindung von Wirtschaftsunternehmen mit modernen Formen der Leseförderung.